Landesaufnahmeprogramme für Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze – Offener Brief der Bayerischen Seebrücken an die Innenminister*innenkonferenz

PDF Download: Brief der bayerischen Seebrücken an Innenministerkonferenz 01.-03.12.21_Endfassung

Sehr geehrte Frau Innenministerin, sehr geehrte Herren Innenminister der Länder, sehr geehrter Herr geschäftsführender Bundesinnenminister Seehofer, sehr geehrte Frau designierte Bundesinnenministerin Lambrecht,

wie Sie wissen, hat sich an der östlichen EU-Außengrenze eine humanitäre Katastrophe entwickelt: Seit Wochen sind Menschen zwischen Polen und Belarus eingekesselt. Sie drohen im Grenzgebiet zu erfrieren oder zu verhungern. Mindestens 13 (laut Grupa Granica sind es 17) Menschen sind bereits gestorben, darunter zwei Kinder. Das wollen und werden wir bayerischen Seebrücken nicht hinnehmen!

Wir wissen alle, dass der belarussische Machthaber Lukaschenko seit Monaten Menschen aus
Krisengebieten instrumentalisiert, indem er sie gezielt über Belarus in die Europäische Union zu
lenken versucht. Die EU und insbesondere die Anrainerstaaten Litauen, Lettland und Polen reagieren darauf jedoch mit Abschottung und völkerrechtswidrigen Zurückweisungen. Mit Stacheldraht, Grenzschutz und Militär, inzwischen unterstützt durch FRONTEX, sollen die Menschen aufgehalten werden.
Seit Wochen sitzen sie deshalb im Grenzgebiet fest, eingekesselt und nicht versorgt, da auch auf der belarussischen Seite bewaffnete Polizisten stehen, die sie nicht mehr zurück lassen.

Die Behörden auf beiden Seiten nehmen den Tod der Menschen in Kauf. Staaten, die dieser Politik und den Maßnahmen zustimmen, machen sich genauso schuldig. Diese Situation ist ein Skandal und zutiefst beschämend! Weder gelten die Allgemeinen Menschenrechte für die Menschen im Grenzgebiet, noch finden sich die durch die Mitgliedsstaaten proklamierten europäischen Werte dort wieder. Auch die Grundrechte des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere das Recht auf Asyl, finden keine Anwendung. Das darf nicht sein!

Wir, die bayerischen Seebrücken, appellieren deshalb an Sie:
1. Die Geflüchteten müssen sofort humanitäre Hilfe erhalten. Ärzt*innen und Hilfsorganisationen müssen unverzüglich und ungehindert ihre
wichtige Arbeit vor Ort leisten können. Nur so können weitere Tote verhindert werden. Rechtsanwält*innen und Journalist*innen müssen ebenfalls Zugang erhalten.

2. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Menschen, die Schutz innerhalb der EU suchen, haben ein Recht auf individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs. Die deutsche Bundesregierung und andere EU-Länder müssen Polen und Litauen dabei unterstützen, Geflüchtete zu registrieren und ihnen Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu gewähren. Auch die illegalen Push-Backs durch polnisches Militär müssen unverzüglich beendet werden.

3. Menschen dürfen in Europa niemals zum Spielball der Politik gemacht werden. In Polen und Litauen wiederholen sich Szenarien wie an der griechisch-türkischen Grenze, in der Ägäis, an der bosnisch-kroatischen Grenze und auf dem zentralen Mittelmeer. Die Europäische Union muss endlich Humanität und Rechtsstaatlichkeit in der Geflüchtetenpolitik zeigen, statt Härte
und Abschottung.

Wir fordern Sie auf, dass Sie diese humanitäre Katastrophe bei Ihrem Treffen thematisieren und sich Ihrer Verantwortung als gewählte Vertreter*innen bewusst werden! Wir, die bayerischen Seebrücken, fordern deshalb, dass die deutsche Bundesregierung sich für eine
schnelle und unbürokratische Aufnahme und Umverteilung der Geflüchteten in Europa einsetzt.

Rund 300 Kommunen („Sichere Häfen“) sind aufnahmebereit. Deshalb verlangen wir als Seebrücke endlich Landesaufnahmeprogramme in allen Bundesländern. Sie haben es in der Hand, dies durchzusetzen! Seien wir solidarisch mit den geflüchteten Menschen an den Grenzen!

-Menschenrechte sind unverhandelbar!-

Die bayerischen Seebrücken:

Seebrücke Altdorf
Seebrücke Bamberg
Seebrücke Fürth
Seebrücke München
Seebrücke Passau
Seebrücke Regensburg
Seebrücke Weißenburg