Seenotrettung ist nicht verhandelbar

Aktion zum Day Orange am 04.08.2018

Am Samstag fanden bundesweit Aktionen im Rahmen des „Day Orange“ statt, mit dem Ziel, durch die Signalfarbe Orange Aufmerksamkeit auf die desolate Situation der Seenotrettung im Mittelmeer zu lenken. In München auf der Isar trieben orange Rettungswesten zwischen der Brudermühl- und der Reichenbachbrücke, während Aktivist*innen in den sehr gut besuchten Isarauen 1300 Flugblätter zum Hintergrund der Aktion verteilten. Gleichzeitig wurde ein etwa 20×3 Meter großes Transparent mit der Aufschrift „Seenotrettung ist nicht verhandelbar“ von der Reichenbachbrücke herabgelassen.

Das Mittelmeer und insbesondere die Route zwischen Italien und Libyen ist die tödlichste Fluchtroute der Welt. Seit Beginn des Jahres 2018 kamen nach UN-Angaben mindestens 1514 Menschen (Stand 04.08.2018) auf der Flucht über das Mittelmeer ums Leben, 1100 davon allein auf dem Weg von Libyen nach Italien. Italiens Innenminister Salvini hat im Juni 2018 die Häfen für im Mittelmeer gerettete Migrant*innen geschlossen – mit der schweigenden Zustimmung der deutschen Bundesregierung. Indem die europäischen Regierungen weiterhin und konsequent auf Abschottung setzen, forcieren sie das Massensterben auf dem Mittelmeer.

Zivile Seenotrettungsorganisationen leisteten in den letzten drei Jahren ca. 40% der Rettungsaktionen auf dem Mittelmeer – ehrenamtlich, spendenbasiert und unter enormem persönlichen Einsatz. Sie werden aktuell nicht nur an ihrer Arbeit gehindert, sondern kriminalisiert, wie nicht nur das prominente Beispiel von Claus-Peter Reisch und Mission Lifeline in Malta verdeutlicht. Insbesondere die aktuellen Ermittlungen in Italien gegen 20 Crewmitglieder von Ärzte ohne Grenzen, Save the Children und Jugend rettet e.V. zeigen dies.

„Wir sind als zivilgesellschaftliche Bewegung angetreten um der staatlich verordneten Untätigkeit bei der Seenotrettung von Geflüchteten unseren Widerstand entgegen zu setzen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die andere vor dem Ertrinken retten, aufgehalten, verleumdet und vor Gericht gestellt werden.“, so Anna Wagner, Sprecherin der Seebrücke München. „Seehofer, Salvini, Kurz u.a. sprechen Geflüchteten das Recht auf eine menschenrechtskonforme Rettung aus Seenot ab. Damit versuchen sie den demokratischen Konsensrahmen zu verhandeln, den sie längst verlassen haben.“, so Anna Wagner weiter.

Ende August / Anfang September ist ein europaweiter Mobilisierungstag geplant.

Video: Aktion zum #OrangeDay in München am 04.08.2018 (Bild klicken zum Abspielen)

Hintergrund:

Seit Juni 2018 hat sich die Situation im Mittelmeer deutlich verschärft. Außer der spanischen Organisation pro Activa – Open Arms sowie seit dem 1.8. der „Aquarius“ von SOS Mediterranee ist (Stand 04.08.) kein Schiff einer zivilen Seenotrettungsorganisation im Mittelmeer aktiv.

Was aktuell mit ihnen passiert:

  • Mission Lifeline e.V.: Die Lifeline ist derzeit im Hafen von Valetta festgesetzt, gegen den Kapitän läuft ein Gerichtsverfahren auf Malta. Vorgeblicher Grund sind Unregelmäßigkeiten in der Schiffsregistrierung, die von Mission Lifeline scharf zurückgewiesen werden.
  • Sea-Watch e.V.: Die Sea Watch 3 sitzt aktuell im Hafen von Malta fest. Das Rettungsflugzeug Moonbird darf derzeit nicht aus Malta starten, um Aufklärungsflüge über dem Mittelmeer durchzuführen.
  • Sea Eye e.V.: Die Seefuchs liegt ebenfalls im Hafen von Valetta fest und darf aus gleichen Gründen wie die Lifeline nicht ausfahren: Ihr wurde der niederländische Flaggenstatus entzogen.
  • Jugend rettet e.V.: Die Iuventa ist bereits vor einem Jahr in Italien beschlagnahmt worden.

© Fotos: Robert Andreasch